Sonntag, 20. Juli 2008

Haben Sie schon mal von Googlability gehört?

Alles kommt raus
Haben Sie schon mal von Googlability gehört?

Nicht? Sollten Sie aber!

Das Internet wächst und wächst, es kennt Antworten zu Karrierefragen, Kommentare zum Klimawandel oder Rezepte für Boeuff Stroganoff. Und immer öfter weiß es auch Wissenswertes über die Fragesteller selbst. Immer mehr Nutzer füttern das neue, personalisierte Internet, kurz Web 2.0, mit immer persönlicheren Daten – und das lockt immer mehr Neugierige an. Selbstdarstellung und Exhibitionismus sind zur Freizeitbeschäftigung für Millionen geworden. Ein paar Klicks reichen aus, um ein eigenes Webjournal zu betreiben, private Bilder hochzuladen oder in Blogs und Fachforen munter mitzuplappern.

Die Daten der Nutzer füllen Kontaktnetzwerke wie Myspace, Businessclubs wie OpenBC (demnächst Xing), virtuelle Visitenkarten wie Ikarma, Bildarchive wie Flickr oder Videoplattformen, wie das gerade von Google für 1, 65 Milliarden Dollar gekaufte Unternehmen YouTube. Hauptarchivare aber sind die großen Suchmaschinen, allen voran das Trio Google, Yahoo und MSN. Allein Google katalogisiert nach Expertenschätzungen Informationen von mehr als zwölf Milliarden Webseiten.

Dazu kommen die neuen Spezialdienste. Die Suchmaschine Zoominfo zum Beispiel konzentriert sich darauf, personenbezogene Daten zu recherchieren, ebenso das Portal mit der passenden Bezeichnung Stalkerati. Blog-Einträge durchwült wiederum Technorati besonders gründlich. Selbst Sprachaufnahmen in Podcasts oder Videobotschaften lassen sich bereits von automatischen Datenfahndern wie Podzinger, TVEyes und Blinkx auswerten.

Was da entsteht, ist ein gigantisches globales Zentralarchiv, ein Online-Gedächtnis, das alles sieht und weiß und fast nichts mehr vergisst. Und das ist das Problem. Immer mehr Personaler werten dieses Wissen systematisch aus, durchforsten die Online-Vita eines Kandidaten, achten auf Lücken oder Widersprüche, auf eine seriöse Darstellung sowie darauf, ob jemand die Schlüsselpersonen seiner Branche kennt und umgekehrt. Falls nicht, ist das ein "K.o.-Kriterium", sagt zum Beispiel Sörge Drosten, Executive Vice President bei Kienbaum Executive Consultants in Düsseldorf.

Die Berater von Heidrick & Struggles unterhalten zum Beispiel gleich eine ganze Fahndungsabteilung für Webprofile. Im indischen Bangalore arbeiten mehrere Mitarbeiter im so genannten Knowledge Management Center und erstellen auf Anfrage 5- bis 25-seitige Dossiers zu Zielpersonen, die sich von denen der Kripo kaum noch unterscheiden.

Profiling heißt das im Fachjargon – jeder mustert jeden in der virtuellen Welt. So ist auf einmal für jeden erkennbar, wo und mit wem jemand zur Schule gegangen ist, für welche Vereine oder Verbindungen er sich engagiert hat, wer seine oder ihre Freunde sind und was die so treiben. Aber auch die Schattenseiten einer Vita – ein missglücktes Projekt, Verleumdungen, die Rache eines verschmähten Liebhabers, Jugendsünden – stehen plötzlich für alle sichtbar im Cyberspace. Das Netz mutiert nicht nur zu einem allumfassenden Wissensspeicher, sondern auch zum Reservoir der Indiskretion. Ein enormes Wissen – und eine enorme Macht.

Das Netz macht Lebensläufe transparenter als es vielen recht ist. Mal eben ein paar Ausrutscher retuschieren und die eigene Laufbahn schönen – das ist kaum noch möglich. Wahr ist, was digital geschrieben steht. Und das hat Folgen.

Der Internet-Leumund ist längst ein Faktor, der die Karriere entscheidend beeinflussen kann. Bei einer aktuellen Befragung des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU) von mehr als 300 Personalberatern und Personalentscheidern gaben 28 Prozent an, das Internet regelmäßig zu nutzen, um Lebensläufe von Kandidaten auf Schwachstellen abzuklopfen: Referenzen, fachliche Eignung, Vergangenheit, Kompetenzen, Meinungsäußerungen, Mitgliedschaften, Freizeitaktivitäten – alles wird gesammelt und ausgewertet. 69 Prozent der Personalprofis nutzen das Medium dazu immer häufiger, mit entsprechenden Konsequenzen: In 34 Prozent der Fälle flogen Kandidaten schon nach den Online-Recherchen aus dem Auswahlprozess.

Das Phänomen hat bereits einen Namen: Googlability. In Anlehnung an die so genannte Employability, die Arbeitsmarktattraktivität, die bis vor kurzem noch für Bewerber ausschlaggebend war, prüfen Personaler zunehmend den Ruf in der virtuellen Welt, bevor sie jemanden einstellen. Der gläserne Mensch – im Web 2.0 wird er Realität. „In nicht allzu ferner Zukunft werden Personen, die nicht im Index stehen, von einer Aura des Geheimnisvollen umgeben sein“, schreibt der US-Journalist John Batetelle, Mitbegründer des High-Tech-Szene-Magazins „Wired“, in seinem Buch „Die Suche“. „Wir anderen aber sollten am besten rechtzeitig und möglichst oft bei Google unseren Namen suchen. Denn es ist klug, sich ein Bild davon zu verschaffen, wer man laut Index ist.“

Es ist nicht einmal entscheidend, was jemand selbst publiziert. Ein vergräzter Kunde, ein rachsüchtiger Mitarbeiter – sie alle können problemlos Schindluder mit der falschen Identität ihrer Zielperson betreiben. Je subtiler, desto wirkungsvoller: Dutzende kleiner Besinnungsaufsätze zu hochprozentigen Alkoholika in Online-Gästebüchern machen aus einem geselligen Manager schnell einen sachkundigen Schlucker; ausführliche Spielkommentare in Fußballforen, am besten zu Bürozeiten, outen ihn als geltungssüchtigen Nerd, der seiner Arbeit nicht nachkommt. Der Nachweis, dass dies aus fremder Feder stammt, ist fast unmöglich. Und selbst dann: Irgendwas bleibt immer hängen.

Selbst das, was andere in bester Absicht über einen schreiben, Schnappschüsse, die Fremde oder Freunde auf ihre Seiten laden, sogar das Verhalten in virtuellen Diskussionen kann das Image beschädigen. Oder wie Kurt Tucholsky es formulierte: „Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint.“

So geschehen mit Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Dessen Vita stand eine zeitlang mit durchaus kritischen Zwischentönen in der offenen Web-Enzyklopedie Wikipedia. Im Mai begannen jedoch loyale Konzernmitarbeiter damit, anonym sein Image zu verschönern. Halbsätze über ein misslungenes Handygeschäft wurden editiert, Links zu einer Geschichte über wegretuschierte Rolex-Uhren am Handgelenk des Topmanagers auf Pressefotos getilgt. Eifrig fügten sie auch lobende Passagen ein. Dummerweise fiel das auf. Im Wikipedia-Forum entbrannte ein heftiger Streit, der Kleinfeld-Beitrag landete auf der Liste der besonders umstrittenen Artikel, und die Medien berichteten darüber. Auch wenn Kleinfeld selbst nicht davon wusste, geschweige denn den Auftrag dazu gab – im Internet wird er stets der Manager bleiben, dessen Vita geschönt werden sollte.

Von der Euphorie des Web 2.0 angesteckt, machen sich die wenigsten Gedanken darüber, dass die Intimität des Internets eine Illusion ist. Ob man neue Freunde über Seiten wie Myspace oder Facebook sucht, seine Ansichten via Blog mit anderen teilt oder Meinungen und Aufsätze publiziert – das alles findet unter den Augen einer weltweiten Öffentlichkeit statt. Jede Aktion hinterlässt Spuren. Und sind solche personenbezogenen Daten von den Suchdiensten erst erfasst, wird es schwer, sie wieder zu löschen.

Die Inhalte lassen sich allerdings gestalten – mit Markenpflege in eigener Sache. Das Prinzip ähnelt dem Verfahren des Internet-Flohmarktes Ebay. Dort können sich Verkäufer und Käufer über zahlreiche gute Geschäfte eine seriöse Reputation aufbauen. Genauso lässt sich auch im Internet das eigene Image formen. Wenn sich schon negative Einträge in den Trefferlisten der Suchportale nicht löschen lassen, dann muss man sie eben verdrängen und dafür sorgen, dass die positiven Links nach oben rutschen.

In der Fachsprache heißt das Suchmaschinen-Optimierung. Die Mittel dazu sind vielfältig, legitim und oft sogar kostenlos. Dazu gehören:

* Der Eintrag in virtuellen Businessnetzwerken. Dort gilt es vor allem, Kontakte zu Leuten mit hoher Strahlkraft und Renommee aufzubauen. Der hinterlegte Lebenslauf sollte lückenlos und eindrucksvoll sein, das Foto professionell und sympathisch – genau wie bei einer Bewerbung. Ein paar verlinkte Einträge in Fachforen unterstreichen das Bild. Wichtig ist dabei, stets Qualität vor Quantität zu setzen. Mehr als 100 enge Businesskontakte braucht kein Mensch – wenn es die richtigen sind.
* Eine eigene Webseite oder besser ein eigenes Blog. Das kostet weder Geld noch viel Zeit, wird aber von Suchmaschinen bevorzugt. Auf dem Blog können solide recherchierte Fachartikel veröffentlicht oder Branchennachrichten kommentiert sowie der eigene Lebenslauf (eventuell Passwort geschützt) hinterlegt werden. Links zu anderen seriösen Seiten zeigen subtil, was der Seitenbetreiber sonst noch liest und wofür er sich interessiert. Effekt: Man positioniert sich als belesener Experte, der moderne Kommunikationsmittel zu handhaben weiß.
* Dasselbe gilt für Diskussionsbeiträge in öffentlichen Fachforen. Hier beweist man nicht nur Kompetenz, sondern auch Streitkultur. Nur eines ist dabei tabu: labern.
* Auf der Seite Del.icio.us lässt sich kostenlos die persönliche Favoritensammlung veröffentlichen, also die Webseiten, die man gerne und häufig besucht. Das mag trivial aussehen. Tatsächlich aber genießen solche Linklisten bei den Suchdiensten einen hohen Stellenwert. Auch hierbei sagt der Autor indirekt, wofür er sich interessiert.
* Nach dem gleichen Prinzip lassen sich noch mehr Treffer generieren: Wer zeigen will, wen er kennt und auf welch wichtigen Treffen er verkehrt, kann zum Beispiel Fotos von sich mit anderen Gästen kostenlos bei Flickr einstellen (Achtung: Vorher mit den Betroffenen klären, ob man die Bilder veröffentlichen darf, sonst verletzt man Persönlichkeitsrechte!). Beim Online-Buchhändler Amazon wiederum kann kostenlos eine Produkt-Wunschliste publiziert werden. Nebeneffekt: Wer sie findet, lernt etwas über den Musik- und Literaturgeschmack der Person. Darüber hinaus hilft es auch, seine Freunde und Mentoren zu bitten, gegebenenfalls auf deren Webseiten subtil Lobendes zu veröffentlichen und Links zu setzen. Hauptsache, alle diese Seiten werden am Ende untereinander verknüpft, denn das bringt den so genannten Google-Juice – den Saft, der Einträge in Trefferlisten nach oben katapultiert.

Und wenn Sie sich vielleicht gefragt haben, was dieses Blog soll – genau darum geht es: Es soll zeigen, was man alles machen kann und vor allem wie es wirkt. Googeln Sie Reiner Fakeman aus und sehen Sie am konkreten Beispiel was alles wo gefunden wird, wo Spuren (auch ein paar zweifelhafte) hinterlassen wurden und an welcher Stelle diese im Index einsortiert werden. Denn natürlich gibt es Reiner Fakeman nicht. Er ist ein reine Kunstfigur für diesen Artikel.

Bei all diesen Anwendungsbeispielen gilt allerdings die Devise: Nicht übertreiben! Es geht nicht darum, eine Scheinidentität zu inszenieren, sondern seine positiven Eigenschaften wahrheitsgemäß herauszustreichen, einen professionellen Eindruck zu hinterlassen – und diesem zu deutlich mehr Prominenz zu verhelfen.

Wer lügt, geht ein hohes Risiko ein, wie kürzlich Aleksey Vayner feststellen musste. Der 23-jährige Yale-Student wollte sich in moderner Form für einen Job an der Wall Street bewerben – mit einem knapp 7-minütigen Video, das er samt Lebenslauf an mehrere Unternehmen verschickte. In dem Bewerbungsfilmchen redet er über Erfolg, seine Stärken, seine Werte. Während der Ton weiterläuft, treibt er Sport, stemmt Gewichte, tanzt Salsa, spielt Tennis, am Ende haut er noch sieben Ziegelsteine kaputt. Das wirkt dynamisch und willensstark. Dachte er. Der Film gelangte an YouTube. Dort machten sich erst diverse Kommentatoren über das Video lustig, dann überprüften Blogger und Journalisten seine Angaben. Heraus kam: alles gelogen. Vayner hatte die Story über eine eigene Investmentfirma, deren CEO er angeblich ist, aufgeblasen; sein Buch über den Holocaust ist größtenteils ein Plagiat. Selbst die Ziegelsteine für den Karatetrick, vermuteten Filmprofis, waren frisiert. Die Medien, unter anderem die „New York Times“, „The New Yorker“ und „New York Post“, griffen die Story auf. Vayner war auf einmal der berühmteste Bluff-Bewerber der Wallstreet und ein Gespött für Millionen.

Öffentlichkeit 2.0 ist ein Drahtseilakt. Und Imagepflege ein fortlaufender Prozess, dem man sich mindestens einmal pro Monat widmen sollte. Es lässt sich kaum vorhersehen, welche Kontakte, welche Einträge einem in zwei oder zehn Jahren schaden. Ein Restrisiko bleibt und damit der Zwang zur Fürsorge. Bevor Sie also etwas im Netz veröffentlichen, stellen Sie sich die Frage: Würde ich neben diesem Text mit meinem Namen und Bild auch in der Zeitung stehen wollen?

Ist die Antwort Nein – löschen Sie es!

Ihr Reinhard Göddemeyer

Freitag, 4. Juli 2008

Lehrerbenotung von Schülern auf „Spickmich.de“ zulässig

Presseschau: OLG Urteil in Sachen Spickmich

Schüler dürfen ihre Lehrer weiterhin im Internet bewerten. Das entschied das Oberlandesgericht Köln am Donnerstag und wies die Berufungsklage einer Gymnasiallehrerin gegen das Internetforum „Spickmich.de“ zurück. Die Pädagogin wollte den Betreibern verbieten lassen, Daten wie ihren Namen, Unterrichtsfächer, Zitate und Benotungen auf der Internetseite zu veröffentlichen. Das Gericht befand dies aber für zulässig. Die Betreiber zeigten sich erfreut über das Urteil.

Volltext: Focus

Sonntag, 29. Juni 2008

Blogger und Recht






Zensuren für Ärzte und Anwälte

Presseschau:

Zensuren für Ärzte und Anwälte

Von Dirk Kunde

Von "Sehr gut" bis "Grottenschlecht": Hotels, Restaurants und Nutzer von Auktions-Portalen müssen sich öffentliche Online-Bewertungen längst gefallen lassen. Jetzt trifft es auch Ärzte und Anwälte. Noch wehren sich einige gegen die Benotung - doch sie werden damit leben müssen.

Berlin - Das Urteil für den Berliner Zahnarzt fällt vernichtend aus. Er hat bei DocInsider.de nur einen von fünf Punkten. Dazu schreibt der Nutzer "Synekdoche" in seiner Bewertung: "Die Gesamtrechnung (ist) fast doppelt so hoch wie im Heil- und Kostenplan angekündigt. Obendrein musste eine Krone nur sechs Monate nach Einsatz neu gemacht werden - habe das bei einem anderen Arzt machen lassen. (…) Finger weg und woanders hingehen!" Das sitzt - neue Patienten werden abgeschreckt.

Mediziner: "Im schlimmsten Fall wirtschaftliche Konsequenzen"
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DPA

Mediziner: "Im schlimmsten Fall wirtschaftliche Konsequenzen"

Gleich zehn Klageandrohungen von Ärzten, die das Löschen ihrer Bewertung fordern, liegen auf dem Schreibtisch von Ingo Horak, dem Geschäftsführer des Bewertungsportals DocInsider.de. Doch der bleibt konsequent und löscht keine Einträge: "Die 'Halbgötter in Weiß' werden sich an Bewertungsportale gewöhnen müssen." Er sieht sich durch das jüngste Spickmich-Urteil bestätigt. Das Landgericht Köln hat in dritter Runde am 30. Januar die Klage einer Lehrerin gegen die Lehrer-Bewertungsseite als unzulässig und unbegründet abgewiesen. Die Frau aus Nordrhein-Westfalen sah in der Beurteilung ihre Persönlichkeitsrechte verletzt.

Unter Ärzten "nicht unumstritten"

Bereits zuvor hatte das Landgericht Berlin die Betreiber der Bewertungsplattform MeinProf.de von der Vorabprüfungspflicht der Bewertungen befreit. Das verlieh Medizinportalen wie Helpster, Imedo, DocInsider sowie Medmonitor für Klinikbewertungen enormen Aufwind. Der Markt für Meinungen über Mediziner ist groß. Schließlich liegen die Gesundheitsausgaben in Deutschland bei rund 3000 Euro pro Einwohner und Jahr. Doch wer sagt einem schon, womöglich differenziert und nach verschiedenen Kriterien benotet, welcher Arzt oder welche Klinik gute Arbeit leistet? Man ist bei der Suche nach wie vor auf Empfehlungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis angewiesen.

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Freiberufler online bewerten - riskant oder notwendig?

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"Diese Portale spiegeln ein Bedürfnis der Patienten wieder, nämlich Leistung transparent zu machen", sagt Roland Stahl von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Die Bewertungsseiten seien in der Ärzteschaft "nicht unumstritten", viel von dem, was da veröffentlicht werde, sei jedoch "abgedeckt durch das Recht auf freie Meinungsäußerung". Bislang lägen der Kassenärztlichen Vereinigung erst einige wenige Beschwerden über als unfair oder rufschädigend empfundene Bewertungen vor - auf die leichte Schulter wolle man das Thema allerdings auch in Zukunft nicht nehmen, denn: "Im schlimmsten Fall hat so etwas wirtschaftliche Konsequenzen für den Arzt."

Den großen Durchbruch bei den Nutzerzahlen verzeichnet bisher ohnehin keine der Bewertungsplattform. Das liegt sicher nicht zuletzt daran, dass chronisch oder schwer erkrankte Menschen in Internet-Foren schon länger auf Gleichgesinnte treffen und hier sehr detaillierte Informationen zu ihrem Krankheitsbild finden. Auch die noch geringe Zahl der Bewertungen führt zu einem verzerrten Bild. Zu dem Zahnarzt im Einstiegsbeispiel gab es nur diese einzige Kritik.

Auch Arbeitgeber werden inzwischen im Netz bewertet: Auf der österreichischen vor einem halben Jahr gestarteten Seite Kununu haben bislang rund 1600 Arbeitnehmer aus Deutschland 1200 Unternehmen bewertet - viel ist das noch nicht.

An eine Bewertungsseite für Anwälte hat sich bisher noch keiner gewagt. Liegt es an deren Klagefreudigkeit oder daran, dass ihre Arbeit von Laien nur schwer beurteilt werden kann? Letzteres vermutet Swen Walentowski, Sprecher des Deutschen Anwaltvereins. "Wenn sie mit Ihrem Anwalt vor Gericht verloren haben, er aber juristisch saubere Arbeit geleistet hat, wie wollen Sie das bewerten?", fragt der Berliner Anwalt.

"Der Grundton ist eigentlich positiv"

Unter Anwaltauskunft.de bietet der Verein eine Datenbank mit 66.000 Anwälten. Darin kann man nach Fachgebiet, Fortbildungen, Qualifikationen und Sprachkenntnissen suchen. Doch eine Bewertungsfunktion fehlt. Dabei haben auch Anwälte kein grundsätzliches Problem mit derartigen Portalen, sagt Hartmut Scharmer von der Hamburger Rechtsanwaltskammer. "Was den Lehrern recht ist, ist den Anwälten billig." Klar müsse aber sein, dass "Schmähkritik, Beleidigung und Verleumdung" dort keinen Platz hätten, die Bewertungen müssten "nach nachvollziehbaren Kriterien" abgegeben werden.

In der Schweiz ist man in diesem Bereich schon weiter. Auf Anwaltvergleich.ch findet man neben einer Bewertung mit bis zu sechs Sternen auch frei formulierte Kliententexte. Selbst die Stundensätze der Advokaten sind hier nachzulesen. Erste Schritte auf diesem Terrain wagen Carsten Schmidt und John Goddard in Deutschland. Die Marketingexperten aus Wiesbaden starteten im Dezember 2007 das Empfehlungsportal KennstDuEinen.de. Neben Handwerkern und Ärzten, sind hier auch Anwälte zu finden, die man bewerten kann. Bisher gibt es keine Beschwerden von Juristen.

"Die Ärzteschaft ist das gallische Dorf"

"Beleidigungen und Beschimpfungen findet unser elektronischer Filter vorab", sagt Schmidt. Fühlt sich ein Dienstleister ungerecht behandelt, kann er über die "Fragwürdig"-Funktion eine Prüfung des Eintrags fordern. Stephan Uhrenbacher, Gründer des schon Anfang 2007 gestarteten Bewertungsportals "Qype", in dem vom Pizza-Service bis zur Gemäldegalerie alles bewertet werden kann, kann sich auch nicht an Probleme mit kritisierten Juristen erinnern - bei Anwälten seien die Nutzer prinzipiell "eher vorsichtig", die Zahl der Einträge in diesem Bereich sei generell "mager" und "der Grundton ist eigentlich positiv".

Wenn mehr Bewertungen ein besseres Bild der Dienstleister vermitteln und die Nutzer mit Empfehlungen gute Erfahrungen machen, wird der Erfolg der Bewertungsseiten dennoch kaum aufzuhalten sein. Alle werden sich dem Urteil ihrer Kunden, Klienten und Patienten stellen müssen. Ingo Horak scheut die Auseinandersetzung mit den Doktoren nicht: "Die Ärzteschaft ist das gallische Dorf, aber Bewertungsportale werden sich durchsetzen."

Quelle: www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,532366,00.html

Presseschau: Web-Reputation

Einen sehr ausführlichen und lesenswerten Artikel zum Thema von Herrn Lothar Lochmeier fanden wir in der Bankenpresse:

Die Rufschädigung per Mausklick im Internet hat zahlreiche Facetten, die von technischen Schwachstellen in der IT über Herausforderungen in der Matrix-Organisation bis hin zu Fragen des Führungsstiles reichen. Zunächst einmal gilt es, die Bandbreite an denkbaren Möglichkeiten systematisch zu erfassen.

Fest steht nämlich eines: Negative Nachrichten und bloße Gerüchte über das Unternehmen verbreiten sich heute binnen Minuten um den ganzen Globus, was das Reputationsmanagement erheblich kompliziert. Andererseits kann eine positive Reputation im Netz dem Ansehen eines Unternehmens ebenso schnell zuträglich sein.

Quelle / Volltext: www.die-bank.de

Samstag, 28. Juni 2008

Moderne Online - Pranger im Internet


Man stelle sich einmal folgendes vor:

In einer Stadt findet sich über Nacht an jedem Laternemast eine verleumderische Behauptung über die Facharztpraxis Doktor X.

Der Inhalt der Behauptung würde sich sicherlich unaufhaltsam in der Stadt verbreiten, egal ob richtig oder falsch, wahr oder unwahr.

Doktor X würde sicherlich zum Hauptthema innerhalb der Kollegen, auch die Patienten würden sich Ihre Gedanken machen.

Wer hat den Anschlag auf Doktor X wohl verübt ? Wer betreibt hier Rufmord ?

Ein neidischer Kollege ? Ein unzufriedener Patient ? Ein Praxismitarbeiter ?

Natürlich würden diese plakatierten Zettel nicht lange an den Masten hängen bleiben, dafür würde schon die Stadtreinigung sorgen; aber trotzdem wäre der Rufschaden für Doktor X eingetreten und er müsste auch befürchten, dass die Aktion jederzeit wiederholt wird.

Dann aber vielleicht zusätzlich im Internet.

Wer früher im Mittelalter stahl, betrog oder Ehebruch beging, wurde auf dem Marktplatz an den Pranger gestellt. Dort musste er dann für ein paar Stunden stehen und alle sahen, dass er ein Verbrecher war. Heutzutage gehen wir mit den Menschen, die gegen Gesetze und Regeln der Gesellschaft verstoßen, anders, vermeintlich humaner um. Sie bekommen in der Regel einen fairen Prozess und müssen dann eine Strafe zahlen oder auch mal ins Gefängnis.

Das sehen unsere Gesetze so vor, das nennt man Rechtsstaat.

Weil es aber einige Menschen gibt, denen dieses System augenscheinlich nicht effizient genug ist, haben Pranger nach wie vor Konjunktur – sei es in Form von Klatsch und Tratsch, oder in der modernen und zeitgenössischen Version als Webseite oder Internetforum.

Manche dieser Zeitgenossen machen sich einen Spaß daraus, im Internet Prangerseiten einzurichten und hier Veröffentlichungen in Form von Verleumdungen / Beleidigungen usw. einzutragen oder durch Dritte eintragen zu lassen.

Allerdings muss man auch feststellen, dass es auch in Deutschland amtliche Überlegungen gab und immer noch gibt, für bestimmte Fälle öffentlich einsehbare Auskunftsdateien einzurichten. So kann man heute ja auch bereits öffentlich einsehen, wer im Handelsregister eingetragen ist oder wer ein Insolvenzverfahren laufen hat.

Im Ausland, in USA wie auch in Großbritannien gibt es offizielle Prangerseiten, von Behörden eingerichtete Seiten, die wir nachfolgend kurz vorstellen wollen.

Galerie: Die modernen Prangerseiten im Internet

Viele dieser Pranger werden von den verschiedensten Behörden betrieben.

Der Freier-Pranger der Polizei von Chicago

Die Polizei von Chicago hat schon im Jahr 2005 die abschreckende Kraft der Bloßstellung im Netz für sich entdeckt. Um die illegale Prostitution in der Stadt einzudämmen, richtete sie einen neuen Online-Pranger für Freier ein. Wer seitdem bei einer Prostituierten erwischt und festgenommen wird, erscheint mit Foto, vollem Namen und Wohnanschrift auf der Seite des Chicago Police Department. Die Seite wird täglich aktualisiert, die Bilder bleiben dreißig Tage lang online.

Und Chicagos Bürgermeister Richard Daley droht: „Wenn Sie sich mit einer illegalen Prostituierten einlassen, werden Sie verhaftet und alle werden es erfahren: Ihre Frau, Ihre Kinder, die ganze Familie, Nachbarn und auch Ihr Chef." Ob die öffentliche Schande aber dabei wirklich dazu führt, dass die illegale Prostitution zurückgeht, ist fraglich.

Der Vergewaltiger-Pädophilen-Exibitionisten-Pranger des Justizministeriums der USA

Der wohl prominenteste Internet-Pranger steht auf der Seite des Justizministeriums der USA. Auf der „National Sex Offenders Public Website“ sind all diejenigen US-Bewohner in einer öffentlichen Datenbank erfasst, die wegen einer Sexualstraftat verurteilt wurden, das heißt in der Regel: Vergewaltigung oder aber Missbrauch Minderjähriger. Wer dort nach registrierten Tätern in seiner Stadt sucht, erhält eine Liste von Namen. Zu jedem Namen sieht er das Foto des Täters, seine aktuelle Adresse, Details zur Verurteilung und eine Liste der physischen Merkmale.

Das sei aber nicht als Strafe für die Verurteilten gedacht, sondern lediglich zum Schutz der Bevölkerung, beteuerte das Ministerium, nachdem die Datenbank 2005 online ging und ein großer Sturm der Entrüstung losbrach. Die Rückfallquote soll bei Sexualstraftätern besonders hoch sein, daher müssten Bürger sich und ihre Kinder gegen Übergriffe schützen können. Dass damit die Persönlichkeitsrechte der Täter massiv verletzt werden und auch reuige Täter nie wieder ein normales Leben führen können, wird in Kauf genommen.

Datenschutz: Das Justizministerium weist zwar darauf hin, dass es illegal sei, jemanden wegen seines Eintrags zu diskriminieren oder zu belästigen. Einem zukünftigen Personalchef oder jemanden, der sich zur Selbstjustiz berufen fühlt, dürfte das sicher allerdings herzlich egal sein. Manche unserer Politiker in Europa möchten das Modell trotzdem importieren.

Der Keinen-Unterhalt-Zahler-Pranger aus Großbritannien

„Wir kämpfen gegen Kinderarmut und stellen sicher, dass Eltern, die von ihren Kindern getrennt leben, auch finanziell zu ihrem Unterhalt beitragen.“ So steht es auf der Webseite der britischen Child Support Agency. Der britischen Agentur stehen dazu viele Mittel zur Verfügung: Lohnpfändung, Zwangsversteigerung, Entzug des Führerscheins, Gefängnis. Das ist auch gut so, denn keinen Unterhalt für sein Kind zu zahlen, ist eine große Sauerei. Nach einem neuen Gesetzesbeschluss darf die Agentur jetzt aber noch einen Schritt weiter gehen – und eine Liste der schwarzen Schafe auf ihrer Webseite veröffentlichen. Über hundert allein erziehende Eltern wurden bereits angeschrieben und gefragt, ob sie damit einverstanden sind, dass die Namen ihrer ehemaligen Partner veröffentlicht werden. Die Liste war dann im Sommer einen Monat lang online, wurde aber wieder aus dem Netz genommen. Nach zahlreichen erschienenen kritischen Artikeln sind der Agentur wohl selbst Zweifel gekommen, ob diese rabiate Methode sinnvoll ist.

Der Pranger für Exhibitionsten

Einer der wenigen wirklich sinnvollen Online-Pranger ist das amerikanische Weblog Hollaback NYC. „If you can’t slap’em, snap’em“ lautet der Schlachtruf von Hollaback, übersetzt in etwa: „Wenn du ihnen schon keine runterhauen kannst, schieß doch ein Foto von ihnen“. Gemeint sind die widerlichen Zeitgenossen, die sich in der U-Bahn entblößen, einen runterholen oder andere Menschen auf sonstige Weise sexuell belästigen. Sie werden dann mit dem Handy abgeschossen. Diese Schnappschüsse werden dann in das Blog hochgeladen und ausführlich kommentiert: Wer, wann, wo, was hat er gemacht?

Herkunft: Inspiriert wurde die Seite von der Geschichte der 15-jährigen New Yorkerin Thao Nguyen, die mit ihrem Handy einen Belästiger in der U-Bahn fotografierte und ihn damit überführte. Danach kamen New Yorkerinnen auf die Idee, das Weblog einzurichten. Wer dann hier einmal in der Hall of Shame landet, wird sich danach hoffentlich zwei Mal überlegen, ob er jungen Frauen im Park zweideutige Angebote macht. Die Bilder werden hauptsächlich, aber nicht nur von Frauen gemacht.

Der Lexikon-Pranger

Auch andere Webseiten, die gar nicht in erster Linie zum Anprangern gedacht sind, lassen sich prima zu diesem Zweck umnutzen.

So zum Beispiel die zahlreichen Wikis im Netz, wie z.B. die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Besonders spektakulär ist hier zum Beispiel der Fall des ehemaligen Journalisten und Assistenten von Robert Kennedy John Seigenthaler. Der fühlte sich lange als unbescholtener Rentner, bis er eines Tages rein zufällig seinen Wikipedia-Eintrag fand. Unter anderem wurde dabei darin behauptet, Seigenthaler sei in die Mordanschläge auf John F. Kennedy und dessen Bruder Robert verwickelt gewesen. Außerdem habe er in der Vergangenheit zwischen 1971 und 1984 in der ehemaligen Sowjetunion gelebt.

Erst viele Monate nachdem Seigenthaler sich bei Wikipedia beschwerte, wurde der Artikel korrigiert. Herr Seigenthaler, der sich diesen Rufmord nicht bieten lassen wollte, machte den Vorfall dann im US-Massenblatt USA Today publik. Er deutete auch auf ein grosses Hauptproblem der Wikipedia hin: Keiner muss für die von ihm verfassten oder geänderten Einträge die Verantwortung übernehmen. Theoretisch wie praktisch kann dort jeder jeden anprangern (oder sogar verleumden), der ihm einmal im Strassenverkehr die Vorfahrt genommen hat.

Der Personen - Suchmaschinen-Pranger

Personen - Leute-Suchmaschinen sind gerade der letzte Schrei im Internet.

Die derzeit wohl international bekannteste unter ihnen ist Spock, in Deutschland gibt es Ableger wie z.B. Yasni.de. Diese Dienste durchsuchen alles im Internet, andere Suchmaschinen, soziale Netzwerke wie MySpace, Blogs, Zeitungsartikel, Videoportale und Fotoportale und bündeln die dort zu einer Person gefundenen Daten in einem einzigen Profil.

Für aufgeregte Blogeinträge und Medienberichte hat Spock in der Vergangenheit aber aus einem anderen Grund gesorgt:

Im Gegensatz zu allen anderen Webangeboten können dem Spock-Profil von allen teilnehmenden Internetnutzern Schlagworte und Bilder zugeordnet werden – egal, ob es der betroffenen Person dann passt oder nicht.

So ist das Personen - Profil des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Bill Clinton zum Beispiel mit den Begriffen „Sex Scandal“ und „Amtsenthebungsverfahren“ verschlagwortet. Auch die bekannte Dame Britney Spears wird sich über den der Hinweis „Doesn’t always wear underwear“ sicher nicht freuen.

Sehr viel schlimmer kann es aber kommen, wenn das eigene Profil zusätzlich von anonymen Nutzern etwa mit den unpassenden Worten „Kinderschänder“ oder „Mörder“ oder kompromittierenden Bildern versehen wird. Wie genau und ob man solche unliebsamen Informationen wieder entfernen lassen kann, hat Spock noch nicht bekannt gegeben.

Wenn Sie diese modernen Pranger Methoden nun mit dem eingangs erwähnten Beispiel des Doktor X vergleichen so werden Sie feststellen, dass Doktor X (damals) noch gut weggekommen ist. Die Zettel wurden von den Masten entfernt.

Die Veröffentlichungen im Internet lassen sich kaum noch entfernen, sie jagen in Windeseile in sekundenschnelle um den Globus.

Sie werden kopiert, verlinkt, per mail oder RSS versendet, sie werden dann von den Spidern der Suchmaschinen gespidert und im elektronischen Gedächtnis gespeichert. Für immer und ewig !

Reinhard Göddemeyer